Talkshow-Eskalation: Chrupalla fordert russisches Gas und Kernkraft – und lässt CDU-Gegner und Moderatorin verstummen

Es ist eine Szene, wie sie sich immer häufiger in den politischen Talkrunden Deutschlands abspielt, und die doch jedes Mal aufs Neue die tiefen Gräben der Nation offenlegt. Auf der einen Seite die Vertreter der sogenannten „Altparteien“ und die Moderation, die versucht, die Kontrolle über die Debatte zu behalten. Auf der anderen Seite: Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD. Ein Video-Kommentar, der die Highlights einer MDR-Talkrunde zusammenfasst, stilisiert die Begegnung zu einem Duell: Ein „Rüpel“, mutmaßlich ein CDU-Politiker, wolle Chrupalla „inhaltlich stellen“ – doch das sei „nach hinten losgegangen“.
Die Analyse des Kommentators ist unmissverständlich: Chrupalla habe die Runde „dominiert“ und einmal mehr bewiesen, dass die AfD über „fähige Personen“ verfüge. Die Gegenseite, so der Vorwurf, versuche unablässig, ihn „in die rechtsradikale Ecke zu stellen“ und zu „unterbuttern“. Doch Chrupalla, so die Darstellung, nutzt die Bühne für eine Generalabrechnung.
Der erste Schlagabtausch entzündet sich an einer Frage, die im Osten Deutschlands eine hochempfindliche Nervenbahn berührt: die Repräsentanz. Die Moderatorin wirft die Frage auf, ob es überhaupt noch von Relevanz sei, ob ein Regierungsmitglied aus Ostdeutschland komme, man müsse jetzt „ins Umsetzen kommen“.
Für Tino Chrupalla ist das eine Steilvorlage. „Relevanz hat es sich mit Sicherheit“, kontert er. Er argumentiert, dass der Osten in der Regierung nicht „angemessen“ vertreten sei. Wenn man den Bevölkerungsanteil von 17 bis 20 Prozent heranziehe, hätte dieser sich auch in den Ministerposten widerspiegeln müssen. Stattdessen sei im Koalitionsvertrag „so gut wie gar nichts“ über Ostdeutschland zu finden.
Dann wird er persönlich und teilt direkt gegen die Ampel-Regierung aus. Er zielt auf die neue Ostbeauftragte, Frau Kaiser von der SPD. Chrupalla stellt die provokante Frage nach ihrer Legitimation: „Die SPD vertritt in Sachsen, Thüringen und in Sachsen-Anhalt zwischen 5 und 7 Prozent, und das ist jetzt die Vertreterin Ostdeutschlands in der neuen Bundesregierung.“ Allein das, so Chrupalla, störe die Akzeptanz.
Er schließt mit einer scharfen Warnung, die tief in die Wunden der letzten Jahre sticht. Er wünsche sich, dass die neue Ostbeauftragte ihre Position nicht „missbraucht“. Eine klare Anspielung auf ihren Vorgänger, Marco Wanderwitz (CDU), der, so Chrupalla, „hauptsächlich damit beschäftigt war, die Ostdeutschen zu beschimpfen und zu belehren“. Der Kommentator des Videos bestärkt diese Sichtweise und merkt an, die Wahlkarten im Osten seien „gefühlt alles blau“. Wer die AfD ausgrenze, grenze damit „fast die Hälfte der Bürger“ aus.
Der nächste Versuch der Moderation, Chrupalla in die Defensive zu drängen, folgt prompt. Das Thema: Altersarmut und Mindestlohn. Die Moderatorin konfrontiert ihn mit harten Zahlen: Vollzeitbeschäftigte im Osten verdienten im Schnitt 824 Euro brutto weniger als im Westen. Die SPD wolle den Mindestlohn erhöhen, die AfD sei dagegen. „Müssten Sie nicht, wenn Sie für den Osten sprechen, sagen: Ja, auf jeden Fall eine Erhöhung des Mindestlohnes?“
Wieder weicht Chrupalla dem gesetzten Rahmen aus. Er attackiert das Prinzip des politischen Mindestlohns. „Das kann man nicht per Regierungsbeschluss beschließen“, erklärt er. Diese Entscheidung gehöre in die Hände der „Mindestlohnkommission“ und der Tarifpartner. Er malt das Bild der Leidtragenden einer solchen Politik: „die kleinen Handwerksbetriebe, die Friseure, die Bäcker müssen auch diese Mindestlöhne bezahlen und können es teilweise nicht“.
Stattdessen präsentiert er die alternative Wirtschaftspolitik der AfD: eine radikale steuerliche Entlastung. „Gerade für kleine Einkommen bis 2000 Euro sollte man eigentlich so gut wie keine Lohnsteuern bezahlen.“ Das, so Chrupalla, wäre eine „wirkliche Entlastung, eine sofortige Entlastung“ und würde den Menschen helfen, etwas fürs Alter zurückzulegen. An dieser Stelle, so merkt der Kommentator an, sei Applaus im Publikum aufgekommen, den die Moderatorin „abrupt gestoppt“ habe.

Der Kommentator selbst zeichnet ein noch düstereres Bild und bezeichnet das deutsche Rentensystem als „Schneeballsystem“, das vor dem Kollaps stehe. Wenn weniger Arbeitnehmer – und er äußert Zweifel an der Arbeitsmoral der Generationen Z und Y – auf immer mehr Rentner träfen, breche das System zusammen.
Der finale und heftigste Eklat der Runde dreht sich um das Kernthema der deutschen Wirtschaft: Energie. Die Moderatorin stellt eine fast schon suggestive Frage: Was die AfD denn mache, wenn die 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur der Regierung „jetzt alles funktioniert und es Deutschland wieder besser geht?“
Chrupalla ignoriert die Prämisse der Frage vollständig und startet seinen Großangriff. Er schaltet sofort auf das Thema Strompreise. Die Entlastungen im Koalitionsvertrag seien Augenwischerei: „Am Ende jemand muss auch den geringeren Strompreis bezahlen, und das ist der Steuerzahler.“
Dann folgen die Sätze, die den Kern der AfD-Außen- und Wirtschaftspolitik markieren. Er wendet sich an seinen CDU-Kontrahenten: „Wissen Sie, was wir machen sollen? Die sollten die Wirtschaft-Russlandsanktion abschaffen. Und sie sollten vor allen Dingen endlich wieder russisches Gas kaufen!“ Er fügt hinzu: „Das braucht auch ihr Standort in Sachsen-Anhalt. Das ist der Grund, warum das Unternehmen wahrscheinlich gleich gehen wird.“
Er legt nach und wirft den etablierten Parteien vor, die Zukunft Deutschlands zu verspielen. Die EU, so Chrupalla, wolle „ab 2027 überhaupt kein russisches Gas mehr kaufen“, das sei „mit ihrer Partei, der CDU, in Brüssel mitentschieden worden“.
Seine eigene Lösung ist ein radikaler Bruch mit der aktuellen Energiepolitik: „Wir brauchen wieder Kernenergie in Deutschland, wir brauchen verlängerte Kohlekraft, und wir brauchen natürlich Gaskraftwerke, die auch mit russischem Gas betrieben werden sollen. Denn mit welchem Gas denn sonst?“
Dieser frontale Angriff, so zeigt es der Clip, lässt die Gegenseite sichtlich irritiert zurück. Der Kommentator triumphiert: Der CDU-Mann sei sprachlos. Er unterstützt Chrupallas Forderungen und behauptet, selbst Investoren-Gigant BlackRock ziehe sich bereits aus der „Erneuerbaren-Energie-Bubble“, dem sogenannten ESG, zurück. Er plädiert dafür, „neue zu bauen“, moderne Kernreaktoren, die effizienter seien und vielleicht sogar „Atommüll recyceln“ könnten.
Die Auseinandersetzung in dieser MDR-Runde, wie sie in dem Video-Zusammenschnitt präsentiert wird, ist mehr als nur ein politisches Streitgespräch. Sie ist die Manifestation eines unüberbrückbaren Gegensatzes. Tino Chrupalla weigert sich, auf die Fallstricke der Moderation hereinzufallen, und nutzt stattdessen jede Gelegenheit, seine Kernbotschaften zu platzieren: eine fundamentale Kritik an der Repräsentanz des Ostens, ein Nein zu politischen Mindestlöhnen zugunsten von Steuersenkungen und eine radikale Kehrtwende in der Energie- und Russlandpolitik. Für seine Anhänger ist er derjenige, der die unangenehmen Wahrheiten ausspricht – für seine Gegner bleibt er der politische Brandstifter, der einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet.