Wencke Myhre: Die Akte wird geschlossen – Ihr Sohn bricht das Schweigen über die Tragödien hinter dem Lächeln

Wencke Myhre: Die Akte wird geschlossen – Ihr Sohn bricht das Schweigen über die Tragödien hinter dem Lächeln

Wenn Deutschland an Wencke Myhre denkt, hört es unweigerlich eine Melodie. Es ist das fröhliche Tuten eines Schiffshorns, das Plätschern von Wasser und dieser unerschütterliche Optimismus: “Er hat ein knallrotes Gummiboot”. Seit den 1960er Jahren ist die am 15. Februar 1947 in Oslo geborene Norwegerin das Gesicht der guten Laune, ein blonder Wirbelwind, der mit seinem skandinavischen Charme die Herzen von Millionen eroberte. Sie war die ewige Sonne des deutschen Schlagers, eine Frau, deren Lächeln so entwaffnend war wie ihre Hits.

Doch dieses Bild, so strahlend es auch sein mag, ist nur die halbe Wahrheit. Hinter der Fassade der unbeschwerten Frohnatur verbirgt sich eine Lebensgeschichte von fast shakespearschem Ausmaß, geprägt von tiefen Abgründen, unvorstellbarem Schmerz und einer Einsamkeit, die im grellen Scheinwerferlicht nur noch dunkler wurde. Es ist die Geschichte einer Kämpferin, die mehr als einmal dem Tod ins Auge blickte und Tragödien überlebte, die andere zerbrochen hätten.

Gerüchte über die Schatten in ihrem Leben gab es immer. Doch jetzt, wo die Ikone in ein Alter gekommen ist, in dem man Bilanz zieht, fügen sich die Puzzleteile zusammen. Es ist ihr eigener Sohn, Danes Möller, der die “Gerüchte” über die wahre Natur seiner Mutter bestätigt – nicht durch Enthüllung von Skandalen, sondern durch eine tief bewegende Zusammenfassung ihres Wesens: “Meine Mutter ist eine Überlebenskünstlerin”, sagte er. “Sie hat die Dunkelheit gesehen und trotzdem Licht geschenkt”.

Diese Dunkelheit hatte viele Namen. Aber der schwärzeste Moment, der Wendepunkt, der sie an den Rand der Verzweiflung brachte, war der 2. Mai 1991. An diesem Tag nahm sich ihr zweiter Ehemann, der Star-Regisseur Michael Pfleger, das Leben. Wencke erfuhr die Nachricht an einem grauen Morgen in Hamburg, kurz bevor sie zu einer Probe aufbrechen wollte. Zuerst, so beschrieb sie es später, war da nur Unglaube, die Hoffnung auf ein böses Missverständnis.

Obwohl ihre Ehe zu Pfleger zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte war, verband sie eine tiefe, kreative und leidenschaftliche Vergangenheit. Ihre Beziehung war ein Rausch gewesen, ein “ständiges Auf und Ab, wie Feuer und Wind”. Als die Nachricht zur Gewissheit wurde, brach ihre Welt zusammen. “Ich hatte das Gefühl, als wäre der Boden unter mir weggezogen worden”, sagte sie.

Monatelang zog sich Wencke Myhre aus der Öffentlichkeit zurück, versteckte sich auf ihrem Landhaus in Norwegen. Sie aß kaum, sprach wenig und starrte oft nur in die Leere. Es waren nicht nur Trauer, sondern auch zersetzende Schuldgefühle, die an ihr nagten. Hätte sie es verhindern können? Hätte sie die Anzeichen sehen müssen?. In dieser Zeit füllte sie Notizbücher mit Gedanken, Gedichten und der quälenden Frage: “Ich höre noch seine Stimme… und frage mich, ob Liebe heilt oder zerstört”. Sie fühlte sich schuldig, weiterzuleben, schuldig, überhaupt noch glücklich sein zu können.

Es war ein Abgrund, aus dem sie nur langsam wieder herausfand. Was sie rettete, war die Konstante ihres Lebens: die Musik. “Die Musik hat mich gerettet”, sagte sie. “Sie war mein Schmerzmittel, mein Gebet, mein Weg zurück ins Leben”. Als sie Monate später wieder auf der Bühne stand, spürten die Fans eine Veränderung. Ihre Stimme war reifer, tiefer. Sie sang nicht mehr nur, sie fühlte. Der Schmerz hatte ihr, wie sie es nannte, die Oberflächlichkeit genommen und ihr Tiefe geschenkt.

Doch der Schicksalsschlag von 1991 war nicht der einzige Kampf, den sie im Verborgenen führte. Mitte der 2000er Jahre, als sie längst als Legende galt, traf sie eine Diagnose, die ihr erneut den Boden unter den Füßen wegzog: Brustkrebs. Für eine Frau, die Kraft und Optimismus verkörperte, war es ein Schock. Und wieder war ihr erster Impuls, die Fassade aufrechtzuerhalten. Sie kämpfte im Stillen. “Ich wollte niemanden beunruhigen”, erzählte sie später. “Ich wollte stark sein für meine Kinder, für meine Fans, für mich selbst”.

Ihr damaliger Ehemann, der norwegische Hotelmagnat Arthur Buchard, erinnerte sich an diese Zeit mit Ohnmacht. Er, der Mann der Tat, der ihr Reichtum und Sicherheit geben konnte, war hilflos angesichts der Krankheit. “Ich wusste, sie kämpft”, sagte er, “und manchmal sah ich Tränen, die sie nicht zeigen wollte. Diese Frau war aus Licht gemacht, aber auch Licht kann flackern, wenn der Sturm zu stark wird”.

Wencke besiegte den Krebs, doch er kam zurück. Diesmal aggressiver. Aber etwas hatte sich in ihr verändert. Der Suizid ihres Ex-Mannes und der erste Kampf hatten sie gelehrt, dass Stärke nicht bedeutet, keine Angst zu zeigen. Diesmal kämpfte sie offen, ehrlich, verletzlich. “Ich habe aufgehört, mich zu verstecken”, sagte sie. “Ich wollte zeigen, dass auch eine Frau wie ich Angst haben darf”.

Zu dem Krebs gesellten sich chronische Schmerzen. Eine Hüftoperation zwang die energiegeladene Bühnenfrau wochenlang zur Immobilität. Freunde berichteten, sie habe geweint – nicht vor Schmerz, sondern aus Frustration über den Verrat ihres eigenen Körpers. Es war die Angst, ihre Beweglichkeit, ihre Stimme, ihr Ich zu verlieren.

Diese Kette von Tragödien wirft ein neues Licht auf die Frau, die jahrzehntelang auf der Bühne stand und lächelte. Es war oft ein Lächeln gegen die Dunkelheit. In einem seltenen Interview gab sie selbst zu: “Ich habe gelernt, dass man auf der Bühne die Sonne sein kann und im Hotelzimmer die Dunkelheit”.

Ihr Liebesleben war ein Spiegel dieser Zerrissenheit. Drei Ehen, vier Kinder – ein ständiges Suchen nach Halt. Die erste Ehe mit dem dänischen Arzt Torben Fries-Möller scheiterte an der Jugend und dem rastlosen Tourneeleben. Die zweite mit Michael Pfleger war leidenschaftlich, aber destruktiv. Die dritte mit Arthur Buchard gab ihr Sicherheit, doch die Gegensätze waren zu groß. Er war der “Fels in der Brandung”, sie der “Wind, der nicht stillhalten konnte”.

Den Frieden fand sie erst spät. Seit über zwei Jahrzehnten lebt sie nun mit dem schwedischen Musiker Anders Elias zusammen. Es ist keine laute, glitzernde Liebe, sondern eine stille, tiefe Verbindung, gewachsen aus Freundschaft und der gemeinsamen Sprache der Musik. “Mit Anders habe ich gelernt, was Frieden in einer Beziehung bedeutet”, sagt sie. Wir müssen nichts beweisen, wir müssen nur da sein.” Er ist der Mann, der sie auffängt, bevor sie es selbst merkt. An seiner Seite ist sie nicht mehr die “Sängerin”, sondern “einfach Wenke”. Nach all den Stürmen hat sie ihren Hafen gefunden.

Trotz ihrer über 60-jährigen Karriere und einem geschätzten Vermögen von 10 bis 15 Millionen Euro ist Wencke Myhre nie eine Frau des Glamours geworden. Sie lebt bescheiden, fährt einen alten Volvo und ihr größter materieller Schatz ist ein altes Mikrofon aus den 1960er Jahren, ein Geschenk eines Fans. Sie hat klug gewirtschaftet, aber ihr Reichtum war nie ihr Antrieb. “Ich habe nie gesungen, um reich zu werden”, sagte sie. “Ich habe gesungen, weil ich es musste, weil es mein Atem war”. Sie spendet regelmäßig für die Brustkrebsforschung und unterstützt junge Musiker.

Was ist Reichtum für sie? Ihre Antwort enthüllt alles über die Frau hinter der Legende: “Reichtum ist, morgens aufzuwachen ohne Angst und abends zu wissen, dass jemand an dich denkt”.

Heute, mit 77 Jahren, steht Wencke Myhre immer noch auf der Bühne. Seltener, bewusster, aber sie singt. Ihre Stimme ist vielleicht sanfter, aber sie trägt das Gewicht und die Weisheit eines Lebens, das von Extremen geprägt war. Sie hat, wie sie selbst sagt, viele Schlachten verloren, aber den Krieg gewonnen. Das “knallrote Gummiboot” ist nicht untergegangen. Es hat Stürme überstanden, die wir uns nie vorstellen konnten, und sein Kapitän hat sich, trotz allem, das Singen nie verbieten lassen. Das ist ihr größter Triumph.

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