Und gleich weiter zu Wolfgang Bosbach, früherer CDU-Innenpolitiker. Ich grüße Sie, hallo. Schöne Grüße nach Berlin. Herr Bosbach, wir haben ja aktuell viele Vorfälle, die zeigen, wo eben Integration nicht gelingt. Was denken Sie, sagen wir mal, über die Gesamtsituation in Deutschland? Wo stehen wir da? Wir reden über das, was uns im Moment beschäftigt, schon seit zehn Jahren. Vor knapp zehn Jahren gab es die berühmte Kölner Silvesternacht.
Da hatte ich einen Moment die Hoffnung, dass man einmal bei der aktuellen Migrationspolitik innehält und zu einer Kurskorrektur kommt. Die Aufregung war ein paar Tage groß. Dann hat sie sich wieder gelegt. Dann war der nächste Punkt Übergang zur Tagesordnung. Wir müssen jetzt die grundsätzliche Problematik trennen von den Vorgängen in Heiligenhaus und in Velbert.

Beim Velberter Fall, also Heiligenhaus, das ist ganz in der Nähe. Es ist schon interessant, wie politisch debattiert wird über die sogenannte Clankriminalität, Großfamilien. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen wollen schon das Wort Clan tabuisieren. Ich bin dem Innenminister Herbert Reul dankbar, dass er dieses Thema Kampf gegen die Clankriminalität mal oben auf die politische Tagesordnung gesetzt hat.
Und bei dem Thema Gelnhausen bin ich, ich sag’s mal, überrascht über die Äußerungen des Bürgermeisters. Es seien die hohen Temperaturen gewesen. Das waren doch keine Eskimos, die Tatverdächtigen, deren Hormonhaushalt durch hohe Temperaturen durcheinander geraten ist, sondern das waren Tatverdächtige aus Ländern, in denen die Temperaturen regelmäßig wesentlich höher sind als bei uns in Deutschland.
Das Problem sind junge, oft bindungslose junge Männer aus anderen Kulturkreisen. In der Regel sind es die Hauptherkunftsländer der Asylbewerber ohne jeden Respekt vor unserer Rechtsordnung, vor unserer kulturellen Tradition und auch vor den Sicherheitskräften unseres Landes. Herr Bosbach, wir reden ja, wie Sie sagen, schon seit zehn Jahren darüber mindestens.
Und warum passiert das dann trotzdem, obwohl wir ja offensichtlich genügend Warnhinweise haben? Das ist eine Folge der Simplifizierung der politischen Debatte, die konsequent unübersehbare Probleme ausblendet. Sobald du heute bei diesem Thema Klartext sprichst, hast du eine Debatte am Hals.
Das sei aber rassistisch, das sei latent ausländerfeindlich. Es geht doch nicht um die Ausländer in unserem Land. Es geht auch nicht um die Flüchtlinge in ihrer großen Zahl. Es geht auch nicht um die Syrer im Allgemeinen. Es geht um Problemgruppen, die seit zehn Jahren bekannt sind. Und vor lauter politischer Korrektheit verbieten wir uns selber, die Dinge beim Namen zu nennen.
Ich habe auch gerade mit Interesse vernommen, was bei den Interviews gesagt wurde, bei denen, die gerade eingeblendet worden sind. Das Problem sind doch nicht fehlende Bademeister. Das Problem sind junge, gewaltbereite, gewaltgeneigte junge Männer aus einigen Hauptherkunftsländern, die aus Kulturkreisen kommen. Die können mit unserer Freizügigkeit, die bei uns Gott sei Dank Tradition ist, gar nicht umgehen.
Die haben doch keine Angst vor den strafrechtlichen Konsequenzen. Da haben sie wirklich keine Angst vor, die hätten eher Angst vor den ausländerrechtlichen Konsequenzen für Ausweisung und Abschiebung. Aber mittlerweile hat die Politik und die Rechtsprechung die Hürden so hoch gelegt, dass es kaum noch möglich ist, wegen derartiger Taten die Ausweisung konsequent durchzusetzen.
Da haben wir schon mal einen eindeutigen Kritikpunkt, an den man vermutlich ansetzen könnte, Herr Bosbach. Sie haben ja Angela Merkel erwähnt. Wir schaffen das. Vor zehn Jahren hat sie das gesagt. Die Altkanzlerin hat sich jetzt in einem Interview zur Migrationspolitik der Bundesregierung nochmal geäußert. Schauen wir uns das mal genauer an. Sie hat da die aktuelle Grenzpolitik der Partei kritisiert.
Bei einem Essen mit Geflüchteten im Rahmen des WDR-Formats WDRforyou fand sie deutliche Worte, forderte ein faires Verfahren für jeden, der an der Grenze Asyl beantragt, notfalls direkt vor Ort. Zwar unterstützt sie das Ziel, illegale Migration zu begrenzen, mahnt aber die europäische Lösung statt eben nationaler Alleingänge an.
Abschiebungen nach abgelehntem Asylbescheid hält sie jedoch für notwendig. Merkel bemängelt da eine grundsätzliche Schieflage in der Migrationsdebatte. Da werde zu oft über, aber selten mit Geflüchteten gesprochen. Und deshalb habe sie sich mit fünf Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Iran austauschen wollen.
Herr Bosbach, wenn Sie das jetzt so sehen, hören in der Zusammenfassung, was halten Sie von diesen Aussagen Merkels? Hat sie, sagen wir mal, den Schuss nicht gehört bis heute, oder? Also jedenfalls braucht die Familie Bosbach keine diesbezüglichen Belehrungen von der ehemaligen Kanzlerin. Meine Frau ist seit knapp zehn Jahren in der Flüchtlingshilfe tätig. Die kann vielleicht noch aus der Praxis mehr erzählen als ich.
Und so zu tun, als würde mit den Betroffenen nicht geredet. Wie kommt Angela Merkel dazu? Das fing ja schon an mit dem Satz, wir schaffen das. Übrigens, der ist mir sympathisch. Mir ist eine Kanzlerin lieber, die sagt, wir schaffen das, als sie sagt, wir schaffen das nicht. Ich hätte nur gern gewusst, wer ist wir und was ist das? Die Integrationsleistung, die erbracht werden muss, die findet doch nicht im Reichstagsgebäude statt.
Auch nicht im Bundestag, sondern in den Städten und Gemeinden unseres Landes. Also vor Ort, die wir seit vielen Jahren überfordern, weil die Zahlen einfach zu hohe sind. Dann setzt es sich fort über den Satz, wir müssen sie besser integrieren. Halt! Ich muss mich integrieren. Wenn ich in ein anderes Land gehe, um ein neues, besseres Leben zu beginnen, muss ich mich integrieren in die Lebensverhältnisse und die Rechtsordnung dieses Landes.

Das Aufnahmeland kann helfen, aber die Integrationskraft, den Integrationswillen müssen die Betroffenen selber mitbringen. Und den dritten Punkt haben wir gerade schon angesprochen, die mangelnde Konsequenz des Staates bei Auflehnung gegen unsere Rechtsordnung. Und glauben Sie mir, die Betroffenen wissen es ganz genau. Sie kommen aus Ländern, wo sie die Sicherheitsbehörden ganz anders erleben als bei uns.
Also wir kennen das von der Polizei wirklich in allen Einzelheiten, was die Problematik ist und die Respektlosigkeit, die Sie eben auch erwähnt haben. Nun tut ja aber die Bundesregierung genau das. Also sie will die Zahlen massiv begrenzen. Sie spricht auch schon von Erfolgen, dass das jetzt schon gelungen sei. Andererseits passieren eben doch jetzt weiter solche Dinge.
Und man merkt ja auch an den Aussagen der Politiker, die Sie eben auch selber erwähnt haben, dass man da immer noch nicht so ganz von überzeugt ist. Also wie sehen Sie denn die aktuellen Bemühungen der Bundesregierung? Reicht das? Ich halte den Kurs des Bundesinnenministers für richtig. Angela Merkel hat ja noch recht, wenn sie sagt, wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung.
Aber sie verschweigt die Antwort auf die Frage, was ist denn bis zu dem Zeitpunkt, an dem es diese gesamteuropäische Lösung tatsächlich gibt? Ich fürchte, dass das, was die Europäische Union sich jetzt vorgenommen hat mit dem gemeinsamen Asylsystem, theoretisch richtig ist, aber in der Praxis nicht funktionieren wird. Und alle, die an bundesdeutschen Grenzen anklopfen, einreisen möchten, ohne die üblichen Einreisevoraussetzungen und ein Asylgesuch stellen, ein Schutzgesuch an der Grenze, sind nicht mehr politisch verfolgt. Das können keine Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge mehr sein,
weil sie sich in ausnahmslos sicheren Staaten befinden. Deutschland ist von neun sicheren Staaten ohne Verfolgungsdruck mit stabilen Demokratien umgeben. Bleibt die Frage, soll es ein Recht darauf geben, sich den Ort seiner Wahl zu suchen, an dem der Asylantrag gestellt wird? Oder bleibt es bei der ursprünglichen Regel, der Asylantrag muss dort gestellt werden, wo ich zum ersten Mal ein Land der Europäischen Union erreiche? Wenn es bei der ersten Variante bleibt, wird sich der Migrationsdruck der illegalen Zuwanderung konzentrieren auf eine Handvoll
Länder in der Europäischen Union. Und offene Grenzen und ein gut ausgestatteter Sozialstaat schließen sich eigentlich aus, jedenfalls wenn wir keine inakzeptablen Ergebnisse haben wollen. Sagt Wolfgang Bosbach. Ich bedanke mich, Herr Bosbach, für Ihre Zeit. Danke Ihnen.