Nach 34 Jahren Suche: Mann findet seinen Vater und lüftet ein sch0ckierendes Familiengeheimnis
Ein tiefes, inneres Gefühl der Leere und eine Frage, die seit über drei Jahrzehnten an seiner Seele nagt: “Denkt mein Vater an mich?” Für René, einen Mann in seinen Vierzigern, war die Abwesenheit seines Vaters mehr als nur ein leerer Platz am Esstisch. Es war eine offene Wunde, ein ungelöstes Rätsel, das sein Leben prägte. Er wuchs ohne Vaterfigur auf, getragen nur von einer einzigen, flüchtigen Erinnerung an eine Begegnung, die 34 Jahre zurücklag. Damals, als sechsjähriger Junge, wurde er von einem Mann besucht, der ihn liebevoll in den Arm nahm. In diesem Moment spürte er eine bedingungslose Liebe, die ihn nie wieder loslassen sollte. Doch nach diesem Tag verschwand sein Vater spurlos, und die Stille, die er hinterließ, hallte durch Renés gesamtes Leben.
Der Wunsch, diese Stille zu brechen und Antworten zu finden, wurde mit den Jahren immer lauter. René wusste nur sehr wenig: Sein Vater, Jadulla Aliev, war in den 1980er-Jahren als Soldat der Sowjetarmee in Deutschland stationiert gewesen und stammte aus Aserbaidschan. Mit diesen dürftigen Informationen wandte er sich an Julia Leischik und ihr Team, seine letzte Hoffnung, das Rätsel seiner Herkunft zu lösen. Was folgte, war keine einfache Suche, sondern eine emotionale Achterbahnfahrt, die nicht nur einen, sondern gleich mehrere Kontinente überspannte und eine Wahrheit ans Licht brachte, die weitaus komplexer und schockierender war, als René es sich je hätte ausmalen können.
Die Suche begann mit einem Sprung ins Ungewisse. Ein Teammitglied, Lukas, reiste nach Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, einem Land, das für René so fremd war wie der Mann, den er suchte. Die ersten Tage waren von Frustration geprägt. Wie findet man einen Mann, von dem man fast nichts weiß, in einem Millionenstaat? Der entscheidende Wendepunkt kam durch einen Kontakt zu einem Veteranenverband der Sowjetarmee. Die Hoffnung war, dass sich ehemalige Kameraden an Jadulla erinnern könnten. Und tatsächlich, das Netzwerk der alten Soldaten erwies sich als Goldgrube.
In einem kleinen Café in Baku trafen sich Lukas und eine Dolmetscherin mit zwei Veteranen. Die Atmosphäre war von gespannter Erwartung erfüllt. Die Männer hatten im Vorfeld angedeutet, wichtige Informationen zu haben. Sie hatten sich unter Hunderten von ehemaligen Soldaten umgehört und waren fündig geworden. Einer der Männer zog ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto aus seiner Tasche. Es zeigte einen jungen Mann in Uniform, mit ernstem Blick und doch einer gewissen Weichheit in den Augen. “Das ist Jadulla Aliev”, sagten sie. Für das Suchteam war es der erste greifbare Beweis, der erste Blick auf den Mann, der im Zentrum dieser langen, emotionalen Reise stand. Doch das war nicht alles. Auf der Rückseite des Fotos war eine Adresse gekritzelt: eine Straße in der Stadt Lenkeran, ganz im Süden des Landes, nahe der iranischen Grenze.
Mit neuer Hoffnung machte sich das Team auf den dreistündigen Weg nach Lenkeran. Die Stadt am Kaspischen Meer war eine völlig andere Welt als das geschäftige Baku. Hier, in einem kleinen Vorort, sollte Jadulla leben – oder zumindest gelebt haben. Doch die Adresse auf dem Foto war unvollständig, es fehlte eine Hausnummer. Die Suche wurde zu einer mühsamen Befragung von Nachbarn und Passanten. Immer wieder zeigten sie das Foto, fragten nach Jadulla Aliev. Die meisten schüttelten den Kopf. Die Enttäuschung wuchs mit jeder Absage.
Doch dann, als die Hoffnung schon fast aufgegeben war, erkannte eine ältere Frau den Mann auf dem Foto. “Jadulla”, sagte sie. “Er wohnte dort vorne.” Sie erzählte, dass seine Frau vor Jahren gestorben sei und er danach weggezogen sei. Wohin, das wusste sie nicht. Das Haus von damals existierte nicht mehr. Ein weiterer Rückschlag? Nein, denn die Frau hatte eine weitere, völlig unerwartete Information. Jadulla hatte eine Tochter. Eine Tochter namens Lale, von deren Existenz René nichts ahnte. Die Nachbarin wusste sogar, wo Lale zu finden war: Sie arbeitete als Lehrerin in einem Kindergarten in der Bergregion Lerik, eine Stunde entfernt.
Diese Enthüllung veränderte alles. Die Suche nach einem Vater war nun auch die Suche nach einer Schwester. Das Team fuhr am nächsten Morgen nach Lerik. Sie fanden den Kindergarten Nummer eins, doch er war wegen Bauarbeiten geschlossen. Eine Mitarbeiterin erklärte, dass die Leiterin, Lale Alieva, deshalb nicht da sei. Als sie hörte, dass es sich um eine dringende Familienangelegenheit handelte, gab sie dem Team Lales Privatadresse. Nur wenige Straßen entfernt sollte sich das nächste Kapitel dieser unglaublichen Geschichte öffnen.
Eine sichtlich überraschte Frau öffnete die Tür. Es war Lale. Lukas erklärte die Situation, die Suche nach ihrem Vater im Auftrag eines Mannes aus Deutschland. Als er ihr das Foto von Jadulla zeigte, bestätigte sie unter Tränen: “Das ist mein Vater.” Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie erfuhr, der Grund für die Suche sei ihr Bruder in Deutschland. “Ein Bruder?”, stammelte sie. “Das kann ich nicht glauben. Ich höre das zum ersten Mal.” Tränen liefen über ihre Wangen, eine Mischung aus Unglauben, Verwirrung und aufkeimender Freude. Sie wusste nichts von Renés Existenz, doch ihre Reaktion war von einer tiefen Herzlichkeit geprägt. “Wenn das alles stimmt, dann heiße ich ihn sehr gerne in unserer Familie willkommen”, sagte sie.
Lale gab dem Team die aktuelle Adresse ihres Vaters in Lenkeran. Er lebte allein. Zurück in der Küstenstadt, standen Lukas und die Dolmetscherin vor einer Wohnungstür im zweiten Stock eines einfachen Wohnhauses. Ein älterer Mann öffnete, sichtlich irritiert von der Kamera und den fremden Gesichtern. Es war Jadulla Aliev.
Im Inneren der Wohnung, bei einer Tasse Tee, entfaltete sich die ganze Tragödie seines Lebens. Als Lukas ihm erklärte, dass sein Sohn René aus Deutschland nach ihm suche, brach der ältere Mann in Tränen aus. “Mein Sohn”, flüsterte er. “Ich habe niemals damit gerechnet.” Die Nachricht traf ihn mit voller Wucht, und mit ihr kamen die Erinnerungen und der Schmerz von Jahrzehnten hoch. Er erzählte von seiner Zeit in Weimar, von der wunderschönen Beziehung zu Renés Mutter Renate. Er war sehr verliebt in sie. Doch als ihr Sohn geboren wurde, stellten sich ihre Eltern gegen ihn. Sie verboten ihm, sein eigenes Kind zu sehen, drohten ihm mit der Polizei und schickten ihn weg.
Kurz darauf wurde er plötzlich nach Russland versetzt und musste Deutschland überstürzt verlassen. Jahre später, Ende der 80er, schaffte er es ein einziges Mal, seinen Sohn zu besuchen. Es war die eine Begegnung, die sich in Renés Gedächtnis eingebrannt hatte. Er kam mit einem blauen Lada und hatte Süßigkeiten dabei. Es war das erste und letzte Mal, dass er ihn sehen konnte. Der Kontakt brach vollständig ab. Aus Scham, seinen Sohn “im Stich gelassen” zu haben, erzählte er seiner Familie in Aserbaidschan nie von ihm.
Als Jadulla das Foto des erwachsenen René sah, überwältigten ihn die Gefühle. “Mein Herz schmerzt”, sagte er weinend. “So viele Jahre sind vergangen. Mein Sohn, ich möchte dich so schnell wie möglich sehen. Ich liebe dich.”
Nur zwei Tage später landete René in Baku. Am Flughafen warteten sein Vater und seine ihm bis vor kurzem unbekannte Schwester Lale. Der Moment des Wiedersehens war von einer Intensität, die Worte kaum beschreiben können. Ein Vater und ein Sohn, die über 30 Jahre durch Lügen, Scham und den Eisernen Vorhang getrennt waren, fielen sich in die Arme. Tränen flossen, nicht aus Trauer, sondern aus unendlicher Erleichterung und Glück. René umarmte auch seine Schwester, eine Frau, deren Existenz sein Leben auf die schönste Weise auf den Kopf gestellt hatte.
Die Tage in Aserbaidschan waren wie ein Traum. René lernte seine ganze neue Familie kennen, spürte die Liebe und Wärme, nach der er sich sein ganzes Leben gesehnt hatte. Die Leere in seinem Herzen füllte sich. Zwei Familien, die nichts voneinander wussten, waren nun vereint, verbunden durch das Band des Blutes und das unbändige Glück, sich endlich gefunden zu haben. Für René war es mehr als nur das Ende einer Suche. Es war der Anfang eines neuen Lebens, eines Lebens mit einem Vater, einer Schwester und der Gewissheit, dass er nie vergessen war.